
Neulich saß ich in einem Gruppensetting, in dem wir unsere Kernwerte erforschten. Eine Übung, die vermeintlich simpel beginnt: Man notiert sich möglichst viele Werte, die einem etwas bedeuten, und reduziert diese Stück für Stück, bis am Ende drei Werte übrig bleiben.
Ich hatte mir anfangs vorgestellt, welche Werte besonders schön klingen, welche ich gern mit mir in Verbindung bringen würde. Vielleicht sowas wie „Freiheit“ oder „Authentizität“ – Begriffe, die irgendwie cool wirken, reflektiert und bedeutungsvoll.
Doch was blieb tatsächlich übrig?
Unter anderem „Sinnhaftigkeit“.
Klingt zunächst einmal nobel, tiefgründig, und ja, irgendwie erwachsen. Aber wenn ich ehrlich bin, entdeckte ich darunter etwas, das mich ein bisschen erschreckte: eine tiefsitzende Angst, vielleicht doch gar nicht so besonders zu sein.
Vielleicht, dachte ich mir, bin ich sogar total egal für die Welt – und das ist ehrlich gesagt gar nicht mal so unwahrscheinlich. Natürlich nicht egal für einzelne Menschen, die mich lieben oder die ich liebe. Doch mein Wunsch nach Sinn und Bedeutung geht weit darüber hinaus.
Ich habe Angst davor, ein unscheinbares Leben zu führen.
Woher kommt das eigentlich? Darüber grüble ich jetzt schon eine Weile. Es könnte viele Ursachen haben – persönliche Erfahrungen, Traumata, vielleicht sogar eine leise Intuition, dass da mehr möglich wäre. Oder einfach nur ein innewohnender Größenwahn, der nicht ausreichend befriedigt wurde. Warum sonst hätte ich mir als Lehrberuf ausgerechnet das Musicaldarsteller-Sein ausgesucht?
Doch wenn ich ehrlich hinschaue, merke ich auch, dass ich auf der Bühne nicht so besonders war, wie ich es mir erträumt hatte – und wie es mir jahrelang von Publikum und Lehrern gespiegelt wurde. Sicherlich gab es Anerkennung und Applaus, aber eben auch das schleichende Gefühl, niemals wirklich so außergewöhnlich gewesen zu sein, wie ich hätte sein wollen. Ich war gut, manchmal sogar richtig gut, aber vielleicht nie gut genug für mich selbst.
Dann steht man irgendwann da. Voller Support von Freunden, Familie, Umfeld – aber mit einem inneren Gefühl von wenig echtem Outcome. Irgendwie bin ich immer noch dabei, diese alte Enttäuschung auszugleichen.
Was wäre eigentlich, wenn ich unwichtig bin? Was wäre, wenn meine Worte, Gedanken und Taten tatsächlich absolut irrelevant wären und ich nie den Applaus oder die tiefe Anerkennung bekomme, die ich mir wünsche?
Das klingt hart, aber gerade merke ich: Es lässt ziemlich tief blicken. Und genau darin liegt etwas Wertvolles. Vielleicht sogar mein persönlicher Schlüssel: Meine größte Sehnsucht weist mir nicht nur den Weg, sie beleuchtet gleichzeitig auch meine größte Angst.
Aber wenn ich mal wirklich ehrlich hinschaue – was wäre denn, wenn sich herausstellte, dass ich tatsächlich nicht bedeutsam bin?
Dann müsste ich mir eingestehen, dass ich mir über Jahre hinweg sehr viel echte Lebendigkeit verweigert habe, weil ich so beschäftigt damit war, ein sinnhaftes, relevantes Leben zu führen. Wie paradox ist das eigentlich?
Lustig, oder?
Naja, geht so.
Aber irgendwie hat es auch etwas Humorvolles: Da verbringe ich wertvolle Lebenszeit damit, unbedingt relevant sein zu wollen und merke dabei nicht, dass das einzig wirklich Relevante die Lebendigkeit selbst ist.
Ein lebendiges Leben wäre so viel leichter zu haben gewesen.Ganz ohne Bedingungen. Ganz ohne Applaus. Ohne das ständige Streben nach einem Sinnhaftigkeitssiegel.
Einfach so – nur aus Freude daran, lebendig zu sein.
Vielleicht werde ich ja jetzt erst so richtig wach. Das wäre schön, denn eigentlich möchte ich das Wichtigste nicht verpassen, während ich darauf warte, dass irgendjemand mir endlich Bedeutung zuspricht.
Vielleicht ist das Leben ja längst bedeutungsvoll – genau jetzt, genau hier. Ohne, dass ich es ständig beweisen muss.
Wäre doch schade, wenn ich das übersehen hätte.
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